eLearning mit OpenOlat bei Strommangellage

Nach den Corona-Wintern der letzten Jahre hätte wohl niemand daran gedacht, dass uns schon in naher Zukunft ein gänzlich anderes Thema derart beschäftigen würde. Der grausame Krieg in der Ukraine zeigt unserer Gesellschaft in aller Deutlichkeit unsere Abhängigkeit von Erdöl, Gas und Strom. Haben wir bis vor Kurzem diese Themen hauptsächlich im Zusammenhang mit Umwelt und Nachhaltigkeit diskutiert, so hat sich der Fokus in wenigen Monaten auf die grundsätzliche Verfügbarkeit dieser für die Gesellschaft lebensnotwendigen Ressourcen verschoben.

Es zeigt sich, dass wir uns in falscher Sicherheit wähnten: der Bund hat eine eventuelle Strommangellage angekündigt. Dies bedeutet, dass wenn alle Massnahmen versagen, der Winter kalt und trocken wird, in Frankreich zudem einige AKW nicht in Betrieb sind und noch andere Faktoren zutreffen – dann wird der Strom tatsächlich rationiert. Kein unkontrollierter wochenlanger Blackout, sondern ein vierstündiges Abschalten von einzelnen Versorgungsgebieten. Immer schön der Reihe nach – fair – nach einem bereits ausgearbeiteten und streng geheim gehüteten Plan.

Abschaltungen mit unbekannten Effekten

Klar ist, auch solche „kontrollierten“ Abschaltungen werden zu nicht vorhersehbaren Effekten führen. Dass kein Licht brennt und die Kaffeemaschine auf Knopfdruck nicht reagiert, dürften dabei die vernachlässigbaren Probleme sein. Die Gesellschaft und ihre Systeme sind so stark verflochten und abhängig voneinander, dass die Auswirkungen einer abgeschalteten „Zelle“ weit darüber hinaus spürbar sein dürften. So hat zum Beispiel die SBB bereits angekündigt, dass in diesem Szenario der Bahnverkehr vermutlich ganz eingestellt oder sehr stark reduziert werden muss, obwohl die SBB für die Züge über ein eigenes Stromnetz verfügt. Führen die Geleise nämlich über ein Gebiet ohne Strom, dann sind auch die Leitsysteme, Bahnhöfe und Kommunikationssysteme dieses Teilbereichs nicht verfügbar. Ohne diese Systeme ist der Zugverkehr nur „auf Sicht“ möglich – es wäre somit unmöglich einen Fahrplan einzuhalten.

Robustes Internet

Für Internet-Dienstleistungen verhält es sich ganz ähnlich: ein Dienst mag zwar technisch verfügbar sein, doch wenn auch nur eine einzige Netzwerkkomponente zwischen dem Rechenzentrum und dem Computer Zuhause ohne Strom ist, wird der Netzwerkverkehr unterbrochen. Dies gilt im Übrigen auch für Glasfaserkabel. Zwar funktioniert die Lichtübertragung ohne Strom, doch auch bei dieser Technologie wird das Licht in regelmässigen Abständen mit Repeatern verstärkt, und diese benötigen Strom.

Das Internetprotokoll ist zum Glück genau für solche Szenarien sehr robust und redundant gebaut. Ein Datenpaket sucht im Netzwerk immer nach alternativen Routen, auch wenn dies einen Umweg über einen anderen Kontinent bedeutet und der Server so schliesslich über eine langsame Hintertür erreicht wird. Aber lieber langsam als gar nicht!

Es ist zu hoffen, dass diese Netzwerkproblematik mit mobilen Geräten teilweise überbrückt werden kann und die Mobilfunkbetreiber dafür sorgen, dass die benötigten hohen Kapazitäten bereitstehen und die Notstromversorgung der Funktürme ausgebaut sind.

OpenOlat ohne Strom

Interessanterweise ist ein Stromausfall für die Endgeräte der Anwenderinnen und Anwender von OpenOlat gar kein Problem: die allermeisten Personen nutzen Laptops oder Tablets und können problemlos einen halben Tag ohne Strom funktionieren. Die entscheidenden Fragen sind also einerseits, ob eine Netzwerkverbindung zum Server aufgebaut werden kann, andererseits lautet die noch viel grundlegendere Frage, ob der OpenOlat Server überhaupt verfügbar ist. Hier können wir Entwarnung geben. Die Hauptrechner der frentix Cloud befindet sich im Rechenzentrum «Colozüri» (Webseite). Auf Anfrage haben die Betreiber der Rechenzentrum- und Netzwerkinfrastruktur folgende Aussagen gemacht: „Unsere Dieselreserven reichen mehr als 10 Tage bei Volllast“.

Dies bedeutet: die OpenOlat Server werden während einer Strommangellage durchgängig verfügbar sein. Solange das Rechenzentrum per Netzwerk erreichbar ist, stehen auch die OpenOlat-Services zur Verfügung. Es bedeutet auch, dass es zu keinen unkontrollierten Abschaltungen der Server kommen wird und somit nicht mit Datenverlust oder Beschädigung der Daten bei Stromabschaltungen zu rechnen ist.

Anpassung der Online-Didaktik

Was können unsere Autorinnen und Autoren tun, um sich auf diese ungemütliche Situation vorzubereiten? Es liegt auf der Hand: jegliche synchrone Kommunikation wird während Stromabschaltungen instabil sein. Es ist aber damit zu rechnen, dass alle Teilnehmenden punktuell in Zeitfenstern mit Strom auf den OpenOlat Server zugreifen können. Die Lerneinheiten sollten also mit möglichst vielen asynchronen Komponenten aufgebaut sein. Teams, Zoom und BigBlueButton werden schlecht funktionieren während der Aufgabenbaustein, der Teilnehmerordner, der Übungsbaustein und die Distribution von Lernunterlagen als PDF oder eBooks eingeschränkt möglich sein dürften.

Von Zuhause durchgeführte Online-Prüfungen dürften sich eher schwierig gestalten. Abhilfe schaffen kann hier ein Open-Book Format und ein grosses Zeitfenster, um die Prüfung durchzuführen. Empfehlenswert ist es aber mehr auf offene Frageformate zu setzen. Hier bietet der Aufgabenbaustein wertvolle Möglichkeiten. Mit dem OpenOlat Release 17.1 wurde dieser optisch überarbeitet und mit zwei wichtigen Funktionen ergänzt: die vollständig integrierte Videofunktion, um Aufgabenstellungen oder Abgaben in Videoformat anzubieten sowie die verspäteten Abgabe zu erlauben. Letzteres ist ein hervorragendes Mittel, um auf allfällige Uploadprobleme wegen Stromausfällen reagieren und dennoch einen fixen Abgabetermin definieren zu können.

Fazit: Wir denken, wir bieten mit OpenOlat und unserem Betriebskonzept auch in Zeiten der Strommangellage optimale Möglichkeiten, dass das Lehren und Lernen und der Kontakt zwischen Lehrpersonen sowie Studierenden weiter möglich sind. Anpassungen im didaktischen Konzept mit einem stärkeren Fokus auf asynchrone Kommunikation und mehr Selbstlernmodulen unterstützen den digitalen Wandel und können so als Chance für eine Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie verstanden werden.

Florian Gnägi

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